--- Bitte nur lesen, wenn innerlich gefestigt und schon etwas mit dem Thema vertraut. --- --- Achtung sehr langer Text.„Ich hab´ doch nie jemand geschlagen. Was geht mich das an. Du willst mir Gewalt einreden.“ Es gibt viele Sätze, die hier im Umlauf sind und bei denen keiner jemals daran denkt, was alles Gewalt ist. Jemand anderes bis zur „Weißglut“ treiben und sich in Unschuld wähnen ist weit verbreitet in unserer Gesellschaft. Wer möchte schon dazu gehören zu diesem Personenkreis?
Gewalt ist leise, laut, akut und sehr schmerzhaft in seiner chronischen Form mit den vielen kleinen Piksern täglich. Es gibt ganz viele Variationen wie sich Gewalt zeigt. Sie kommt still und leise daher und hat ja nichts getan. Ganz unscheinbar ist sie. Unsere Seele bemerkt Unstimmigkeiten, auch wenn wir diese vom Kopf her abzuwehren vermögen. Unser Wunschdenken von den Guten Beziehungen hält Tür und Tor offen für die Gewalt. „Ich brauch ja nur …. zu tun, dann wird es besser, dann wird es gut.“ So denken wir. Hierin liegt ein Irrtum. In unserem „Frieden um jeden Preis“ haben wollen, lassen wir uns immer wieder neu auf Demütigungen und Gewalterleben ein. Wir machen Zugeständnisse. Was wir am Anfang einmal wollten, unsere eigenen Motive, sind nach einem gewissen Ablauf nicht mehr zu erkennen. Uns selbst so zu verbiegen ist Gewalt gegenüber uns selbst. Wir leiden still und heimlich. In diese Verbindungen gehen wir ungeschützt hinein. Wir haben Illusionen vom Zusammenleben. Sie lassen es zu, dass wir unseren Eigenschutz vernachlässigen, gar nicht erst aufbauen.
Eine weitere Variante ist: „Ein Partner, eine Partnerin, ein Kind, ein Familienangehöriger xy müsse sich „nur“ ändern, und bräuchte nur … etwas zu tun, … irgendwo hinzugehen, …Hilfe in Anspruch zu nehmen, und dann würde alles aufhören, dann wäre allen geholfen und es wäre gut.“ Gewalt wird hier umverteilt. Die Taten können körperlicher, seelischer, verbaler und geistiger Art sein. Wir sehen ganz genau, wo es beim anderen hakt. Unsere eigene Beteiligung an dem Dilemma ist uns unbekannt. Wir wähnen uns im Glauben gut zu sein, es richtig zu machen.
Gewalt wird angenommen.
Leise Gewalt ohne Worte kommt mit Schweigen, mit Kontrolle, mit kontrolliert werden, sich kontrolliert zu fühlen. Hier wurde die leise Gewalt zu einem Monster. Sie ist unsichtbar und doch wieder sichtbar. Sie ist nur schwer zu greifen. Angriffe laufen ins Leere. Das ist frustrierend. „Still und leise kam der Dieb über Nacht.“ Wir bemerken hinterher, dass unser Handy neu eingestellt ist, dass uns heimlich nachgearbeitet wurde, dass wir „schon wieder“ korrigiert wurden. Die leisen Gewalttäter stehen nicht zu ihren Taten. Sie verbessern uns und meinen dass wir das nicht mitbekommen täten. Wir werden gekränkt und müssen uns dafür verteidigen, sobald wir den „Leisetreter“ darauf ansprechen. Dieser schleichende Prozess schadet uns in unserer Vertrauensfähigkeit. Unterschwellig schleicht sich das Misstrauen ein. Das Glas füllt sich mit den kleinen Verletztheiten Tropfen um Tropfen. Das geht so lange, bis es überläuft und wir aus dem nächsten winzigen Anlass in die Luft gehen. „Das Fass ist übergelaufen.“ hören wir uns sagen. Wir werden jetzt aktiv. Wie lange wird das sein? Reicht unsere neue Motivation aus uns zu schützen? Wegzugehen? Neue Lösungsstrategien zu entwickeln und ihnen nachzugehen? Was hält uns davon ab die heimlichen Taten, die Nachbesserungen sofort mit STOP zu beantworten und hier laut zu werden, laut zu sein? Weil wir es schon immer so gekannt haben, so aufgewachsen sind, laut sein verboten ist. Gründe finden sich triftige. Einer steht vorne dran: „Niemals wie der Täter werden.“
Laute Gewalt ist sofort erkennbar. Wurden wir zur „Weißglut“ gebracht“ und unsere Sicherungen sind durchgebrannt, gleicht das einer Explosion. Sie wird gehört und vernommen. Sie richtet großen Schaden an. Wir hatten viele Entgleisungen uns gegenüber Nachsicht walten lassen. Und dann kommt es zu diesem Ausbruch. Wir schauen mit Erschrecken auf uns. Hinterher, nach der durch uns selbst angerichteten Verwüstung, sehen wir mit Erschrecken auf den Täter in uns. Dieser Täter in uns ist mit uns „durchgegangen“, wie die wilden Pferde.
Schreien, brüllen ist laut. Waren wir das Opfer, fühlen wir uns mit Schmutz übergossen. Unsere Ohren dröhnen, unser Körper erbebt. Wir möchten uns am liebsten schützen, wegrennen, aber das geht gerade nicht. Die Angst ist übermächtig, den lauten Täter nicht noch mehr zu reizen. Wir verhalten uns zunächst passiv. Abwartend. Auf was warten wir? Dass Hilfe kommt und uns da heraus holt? Wir warten hier schon lange, schon sehr lange. Wenn bis jetzt keine Hilfe von außen kam, wird auch weiterhin keine kommen. So ist das. Leider. Dieses Wunschdenken darf aufhören. Was passiert dann? Wir geben diese Gewalt weiter. Ja. Das ist leider so. Verbale Gewalt ist in der Gesellschaft weit verbreitet.
Sie kann sich zeigen, indem der andere tätlich angegriffen wird. Er wird angefasst, geschlagen, gezwickt oder sonstwie körperlich beschädigt. „Selbst Hand anlegen.“ fällt mir gerade ein ist eine gebräuchliche Redewendung. Ist der Täter einmal außer sich, weiß keiner was genau passieren wird. So denken wir. Von außen betrachtet ist der Ablauf zeitlich gleich. Nach der gewaltbereiten Aktion entschuldigt er sich, wird so richtig lieb und aufmerksam. Achtsam versucht er die Wünsche der Opfer zu erfüllen. Lang gehegte Wünsche von materiellen Dingen sind hier genannt. Er bringt das Heim in Ordnung und werkelt und macht, dass er gut angesehen ist. Er nimmt alltägliche Kleinarbeiten gerne ab und buckelt und ordnet sich ein, was mehr ein unterordnen ist. Es läuft doch so gut. Bis … bis die Zeit, die gute Zeit, um ist, vorbei ist. Dann schlägt der Täter wieder um sich, körperlich aggressiv und verbal beleidigend. Es tut so weh. „Die Hoffnung stirbt zuletzt.“ Die Opfer haben hier immer wieder neu Hoffnung. Sie werden zum Mit-Täter, weil sie großzügig über das Schlimme hinweg blicken und noch großzügiger die Annehmlichkeiten in den Vordergrund rücken. Sie belügen sich selbst. Nicht absichtlich. Mit Scheuklappen lässt sich auch durch´s Leben gehen. Sie wissen nicht um das Vorhandensein der Scheuklappen. Dann wäre das Abnehmen ja einfach.
Akut und Chronische Ergüsse von Gewalt sind plötzlich und unvorhersehbar. Das Leben balanciert entlang am Limit. Der Ort gleicht einem Minenfeld. Jeder Tritt kann eine neue Mine explodieren lassen. Die Vorsicht zieht ein, das Misstrauen macht sich breit. Achtsam und vorausschauend tasten wir uns hellfühlig und hellhörig vorwärts, um der „Ruhe willens“. Es soll tatsächlich wieder die Ruhe und Zufriedenheit ins Heim einkehren, an den Arbeitsplatz. Klares Denken ist nur noch bedingt möglich, weil unsere Gedanken zu viel mit dem Minenfeld von Angst vor neuer Gewaltaktionen in uns wachsam sein lässt. Wir sind mehr beim anderen als bei uns selbst. Hiervon Betroffene werden zu Meistern der Einschätzung von Tätern. Das zehrt an ihrer Energie. Sie werden leer, werden anfällig, und dann bleiben sie in der Abhängigkeit als Gefangene.
Aus einem akuten Geschehen wird eine Abfolge von mehreren Ereignissen. Aus akut wird chronisch. Beides vermischt sich. Einmalige Ereignisse treffen uns weniger. Gehäuft auftretende schlimme Umstände gehen uns unter die Haut. Sie haben Folgen. Einerseits geht unser Schutz verloren. andererseits gehen wir mit einem Hochschutzraum um uns herum durchs Leben, gleichsam einer unsichtbaren Ritterrüstung. Wir ähneln einem wachsamen Soldaten, der auf jede kleinste Änderung in seinem Umfeld blitzschnell mit Verteidigung reagiert. Je länger die chronische Gefahr andauert, desto mehr verschiebt sich der übermässige Schutz in unseren Körper. Ich denke da an Hautimmunitäten, an entzündliche Vorgänge mit Abwehrschwäche, an Atemwegsauffälligkeiten. Psychisch-seelisch nicht mehr von Außenstehenden erreichbar sein, weil die Wachsamkeit möglicher erneuter Verletzung dazwischen steht. Das Vertrauen wurde durch die vielen negativen Aktionen verdorben. Es gärt so vor sich hin und wir suchen und suchen. Wonach? Nach Erlösung. Wir wollen so gerne von diesem Dilemma erlöst sein. „Nie mehr wieder von … xy beleidigt werden.“ Das können offensichtliche Äußerungen sein wie: „Stell dich nicht so an, … zu tun. Das ist doch ganz einfach.“ Wenn es so einfach wäre, wäre es schon lange kein Thema mehr.
Ich merke gerade, dass ich mir schwer tue, tiefer auf dieses brisante Thema einzugehen. Es ist gerade, als ob ich mitten drin stehe in so einem Geschehen. Ja. Das kann passieren, wenn wir uns mit Gewalt befassen, von ihr lesen oder Aufklärungsfilme und -vorträge ansehen. In diesem Moment ist das Denken gelähmt. Einfache Vorgänge werden nachgefragt. Mehrmals, nicht nur einmal. Es fühlt sich an, dass ich mich gerade eingesperrt fühle, in die Enge einer Sackgasse getrieben. Auf der einen Seite ist das Ende, auf der anderen Seite die Gefahrenzone von Gewalt und Täter. Eingekesselt sein. Von den feindlichen Energien und Fronten umgeben sein. Es gibt hier keinen Ausweg heraus. Jetzt, da ich davon geschrieben habe, ist es mir leichter geworden. Genau so geschieht es mit uns: Tagebuch schreiben hilft. Eine Person kontaktieren, die sich mit den Folgen von Gewalt auskennt und ihr unsere innersten Gedanken erzählen. Reden hilft. Schreiben hilft. Schweigen hilft. Für jedes gibt es eine Zeit und es braucht diese Zeit der Transformation. Ja. Die Folgen können überwunden werden und das Vertrauen kann wieder hergestellt werden. Das geschieht auf achtsame einfühlsame Weise. Empathiefähigkeit zu uns selbst entwickeln. Unserem schlimmen Erleben gegenüber uns selbst uns zuwenden ist der erste Schritt weg von gewaltbereiten Aktionen, den eigenen wie den fremden. Ja, den eigenen. Warum? Wegen der Vertauschung von Seelenanteilen, die sich als Introjekte in uns ausagieren und uns wie diese abscheulichen Täter selbst agieren ließen. Wobei mit zu beachten ist, dass ein „aus der Mitte gefallen sein“ mit den Seelenanteilsverlusten zusammenhängt.
Akutes und chronisches Erleiden gehen Hand in Hand. Jedes Einzelerlebnis wird als akut angesehen. Ich bitte Sie darum den Gesamtzusammenhang der vielen einzelnen Akuterfahrungen zusammen als Ablauf einer Folge anzusehen. Aus akut wurde chronisch. Wir erleben das nicht so, weil es uns so geht, wie ich es im Absatz zuvor an mir selbst aufgemerkt habe.
Das innere Gleichgewicht ist verloren gegangen. Die Balance ist nicht mehr möglich aufrechtzuerhalten. Wenn Menschen Gewalt ausüben, egal um welche Form es sich handelt, haben sie ihr Spüren, ihre Wahrnehmung von sich, verloren. Sie spüren sich einzig in extremen Handlungen. Das kann bis zur Sucht werden nach Gewalterfahrungen. In diesem Sinne wirkt sie stimulierend und sogar befriedigend. Warum? Weil wir uns wenigstens ein bisschen spüren, auch wenn das alles so negativ belastend ist. Sind wir hier angelangt, haben wir schon vieles zugelassen, zu viel.
Grob werden. Das Feine gibt es nicht mehr. Fein, achtsam und zärtlich sein – wie geht das? Es ist ihnen ein Rätsel solch zarte Berührungen überhaupt zu spüren. Die Täter werden grob, radikal, umwerfend. Um werfend, ja das geschieht dann. Im übertragenen Sinne wie im realen den anderen schubsen, dass er zu Boden fällt, stolpert und sich nicht mehr halten kann, schwankt. Wurde zu viel, zu oft und zu häufig Gewalt erlitten, überträgt sich dieses „Schwanken“ auf sich selbst. Selbstunsicher sein. Sich minderwertig fühlen. Mit seinen Entscheidungen hin- und herschwanken bis hin zu entscheidungsunfähig werden. Daraus entwickelt sich dann das Manipulieren. Andere dazu bringen die Entscheidungen zu treffen, um hinterher aufbegehren zu können. Schon wieder bin ich bei dem Satz „Ich habe nichts getan.“ gelandet. Keiner soll es merken, dass wir möchten, dass ein anderen die Entscheidungen für uns trifft uns die Taten abnimmt. Täter sein und etwas tun wird verwechselt ab einem gewissen zeitlichen Ablauf von Gewalterfahrungen.
„Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Dieser Ausspruch trifft es am meisten, was in allen Personen abläuft. Dabei schaue ich genau hin. Oberflächlich betrachtet sind die Täter, die Gewalt ausführenden Personen, selbstsicher und von sich überzeugt recht zu handeln, recht zu reden, also im Recht zu sein. Sie wehren sich. Wogegen verteidigen sie sich? Sie wurden vermeintlich angegriffen. Das geschah zuvor. Sie geben das weiter, was ihnen höher gestellte Menschen, ältere, größere, klügere angetan haben. Sie reagieren auf Sätze oder Körperbewegungen mit vermeintlicher Abwehr ihrer Person. Sie fühlten sich als Person in Frage gestellt. All das sind weitere Hinweise, dass sie nicht mehr bei sich selbst sind. Bei ihrem eigenen Schmerz. Bei ihrer eigenen erlittenen Demütigung und als Zielscheibe von Gewalt. Sie verteidigen sich mit schweren Geschützen.
Gewalt erzeugt Gewalt.
Muss das sein?
Nein. Nein. Nein.
Gewalt ist ein Konfliktlösungsmuster. Es ist erlernt. Gewalt wurde selbst erlebt. Und sie kann beobachtet worden sein. Als kleines Kind Gewalt beobachtet zu haben hat dramatische Wirkungen auf das spätere Leben hin. Von völliger Aufgabe in der Friedensbewegung um harmonische Umgebungen zu erschaffen bis hin zu einer spürbar streitbaren Atmosphäre, die einen Betroffenen unsichtbar umgibt. Beides kann zusammen vorhanden sein. Wagen Sie es diesen Kreislauf zu durchschauen. Den Täter in uns eleminieren. „Es tut mir leid, dass ich mich zu solch schlimmen Tun hingegeben habe. Ich kümmere mich ab sofort gut um mich und meine Bedürfnisse und Anliegen. Ich sage Stop, rechtzeitig. Ich nähre mein feines Spüren, meine Zärtlichkeit, meine Achtsamkeit mir selbst gegenüber. Ich schaue auf das Schöne. Und wenn es denn doch wieder zum Gewittersturm kommt, kümmere ich mich gut um mich und gehe mich schützen. Ich werde laut, wo es sein muss.“